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SDG 2 Innerer Hunger

In seinem originalen Wortlaut widmet sich SDG 2 der Herausforderung, den Hunger global zu beenden, das heißt, überall auf der Welt Ernährungssicherheit zu gewährleisten und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern.

Mit dem Wunsch dieses Nachhaltigkeitsziel um eine innere, geistig-spirituelle Perspektive zu erweitern, möchten wir auf dieser Seite insbesondere den inneren Hunger in den Fokus nehmen und damit verbunden die folgenden Schwerpunkte betrachten:

  1. „Du bist was Du isst“ – Meine Beziehung zum Essen
  2. Landwirtschaft & Erzeugung – Bauer, Bio, Selbstversorgung
  3. Mangelbewusstsein – Ein unstillbarer Durst
  4. Füllebewusstsein – „Ich habe genug“
  5. SoulFood – Nahrung für die Seele

1. „Du bist was Du isst“ – Meine Beziehung zum Essen

In unserer westlichen Gesellschaft erleben wir stark destruktive Verhaltensmuster im Umgang mit Lebensmitteln. Zweckentfremdet von ihrem eigentlichen Sinn, Leben und Gesundheit zu bewahren, dient unser Essen vielen Menschen als Kraftstoff, der nebenbei, auf die Schnelle und unbewusst konsumiert wird. Der Körper wird betankt, um die erforderlichen Leistungen abrufen zu können. Lebensmittel werden entfremdet, Fertigprodukte und Fast Food haben den Bezug zum Erzeuger und zu ihrer natürlichen Quelle verloren. Die selbstverständliche Verfügbarkeit von Nahrung führt zu mangelnder Wertschätzung, zu Überkonsum und Verschwendung. 

„Rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr in Deutschland im Müll – das sind etwa 75 kg pro Verbraucher:in.“

Mit eklatanten globalen Folgen. Die großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Konflikte um Land und Wasser, Flucht, etc. – sind nicht zuletzt auch auf unsere Ernährungskultur und die damit verbundenen Praktiken bei der Erzeugung zurück-zu-führen. Darüber hinaus ist eine Reihe der uns bekannten Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht oder bestimmte Krebsarten direkt auf unsere Lebens- und Essgewohnheiten zurückzuführen.

Photo by Ella Olsson on Unsplash

Was macht eine gesunde Beziehung zum Essen aus? Im Vordergrund steht hier insbesondere eine bewusste und achtsame Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. Was brauche ich gerade wirklich? Wann bin ich satt und kann aufhören zu essen? Hat mir dieses Lebensmittel gerade gut getan – fühle ich mich genährt und gestärkt oder schlapp und müde nach dem Essen?

Wir haben für Euch ein paar Tipps und Tricks für den Alltag zusammengestellt, um destruktive Verhaltensmuster ganz aktiv zu durchbrechen und Eurem Körper zurück zu einer bewussten Ernährungskultur zu folgen:

  1. Sich ganz bewusst Zeit nehmen zum Essen und Genießen
  2. Minimalismus & Einfachheit: Dich beim Kochen und beim Essen auf das Wesentliche konzentrieren.
  3. Echte Lebensmittel auf den Speiseplan! Frisches Obst und Gemüse, regional und saisonal. Die Natur weiß am besten was uns zu welcher Jahreszeit bekommt.
  4. Zu viel Fett und Zucker vermeiden
  5. Die bewusste Entscheidung keinem anderen Lebewesen durch meine Esskultur Schaden zufügen zu wollen.
  6. Dankbarkeit für das, was auf meinen Teller kommt.
  7. Langsam essen und gut kauen! Das hilft dem Körper beim Verdauen.
  8. Auf die Signale des Körpers achten: Wie geht es mir, wenn ich bestimmte Lebensmittel gegessen habe? Wie fühlt sich mein Bauch an, wenn ich im Winter zum Abendessen einen Salat oder eine warme Suppe esse?
  9. Sättigungsgefühl – Aufhören zu essen, wenn ich satt bin.
  10. Suchtverhalten – Warum esse ich das jetzt? Habe ich wirklich Hunger oder versuche ich ein Gefühl des Unwohlseins oder Stress zu kompensieren?

2. Landwirtschaft & Erzeugung – Bauer, Bio, Selbstversorgung

Auch dürfen wir unser Bewusstsein für die Konsequenzen unseres eigenen Konsum- und Essverhaltens schärfen. Denn jede Kaufentscheidung ist eine Wahl bestimmte Praktiken zu unterstützen oder nicht. Durch die großen Supermarkt-Ketten ist uns die Beziehung zum Erzeuger, also zum Landwirt weitestgehend verloren gegangen. Wir kaufen hübsch und ansehnlich verpackte Produkte, aber durch die ihnen innewohnende Anonymität geht uns das Verantwortungsgefühl für die Konsequenzen unserer Kaufentscheidungen verloren. Eine unmenschliche Ausbeutung von Lebewesen, sowie die Verschmutzung unseres Lebensraums ist die Folge. Auch verschlechtern sich die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Landwirte – viele von ihnen hängen heute aufgrund der stark preisgetriebenen Agrarpolitik am Tropf staatlicher Subventionen. Das bedeutet auch, dass ich als Verbraucher 2x für das billige Produkt bezahle: Einmal an der Supermarkt-Kasse und einmal durch meine Steuern. Eine Preispolitik von der ausschließlich Banken und Großkonzerne profitieren.

Aber was ist eine gesunde Beziehung zur Erzeugung und Landwirtschaft? In erster Linie muss dafür die Anonymität aufgelöst werden. Denn wenn ich weiß wo mein Essen her kommt und dass ich mit meinem Geld keinen Großkonzern sondern eine Familie ernähre, dann schließt sich der Kreis. Außerdem ist es doch viel einfacher Dankbarkeit für ein Lebensmittel zu empfinden von dem ich weiß, dass es vor wenigen Stunden noch beim Bauern um die Ecke in der Erde gesteckt hat.

Natürlich können wir an dieser Stelle groß und breit über die bewusste, mangelhafte Verbraucheraufklärung und die Lobby hinter dieser Strategie klagen. Aber warum die Verantwortung an eine Instanz im Außen abgeben! Wir können jetzt handeln, indem wir uns die Zeit zum Nachzudenken zu nehmen, recherchieren und nachlesen und uns bewusst für eine Konsumpraktik entscheiden, die mit unseren Werten vereinbar ist.

Und was bedeutet das ganz praktisch für meinen Alltag? Hier ein paar Tipps und Tricks für Euch, wie sich Eure Beziehung zum Prozess der Lebensmittelerzeugung verbessern lässt:

  1. Direkt beim Bauern kaufen. Wer die Möglichkeit hat direkt beim Bauern zu kaufen – entweder vor Ort auf dem Hof oder auf dem Wochenmarkt, der sollte das nutzen. Das ist mitunter gar nicht teurer als im Supermarkt, weil mehrere Handelsstufen sowie lange Transportwege entfallen. Damit unterstützt ihr nicht nur den Bauern und seine Familie, Euer Geld bleibt zudem in der Region. Damit stärkt es die lokale Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze und spielt Geld in kommunale Kassen für Kindergärten, Schwimmbäder, Bibliotheken, etc. statt an große Konzerne im Ausland abzufließen.
  2. Auch wenn Du im Supermarkt einkaufst kannst Du darauf achten möglichst regionale und saisonale Produkte einzukaufen. Verschiedene Bio-Siegel gewährleisten, dass keine Pestizide in Dein Essen kommen und auch nicht die Böden.
  3. Selber erzeugen! Das kann jeder. Vom kleinen Kräutertöpfchen auf der Fensterbank, über die eigene Wurmkiste auf dem Balkon, bis hin zur Selbstversorgung – die Möglichkeiten individueller Erzeugung lassen ich ganz individuell an verschiedene Lebensrealitäten anpassen.
  4. Initiativen wie „Foodsharing“ unterstützen. Je nachdem wie stark Foodsharing in Eurer Stadt ist bekommt man hier kostenlose richtig viel Essen. Das schont den Geldbeuten und ihr tut richtig was gegen Verschwendung und für die Umwelt.

3. Mangelbewusstsein – Ein unstillbarer Durst

In Bezug auf SDG 2 wollen wir unseren Blick jedoch nicht ausschließlich auf die Ernährungsfrage richten. Insbesondere im globalen Norden, wo der Hunger nahezu ausgerottet ist, erleben wir eine andere, geistig-emotionale Form von Hunger: den inneren Hunger. Dieser bezieht sich auf das befrieden anderer, ebenso existenzieller Bedürfnisse: nach Anerkennung, Geltung, Dazugehören, kurz: nach Liebe.

In unserer Konsumgesellschaft lassen sich diese Bedürfnisse – wenn auch nur temporär – durch Statussymbole und Konsumgüter befrieden, mit eklatanten Folgen für die Gesundheit von Mensch und Ökosystem. Noch nie ging es einer Generation so gut wie uns. Wie kommt es also zu dem unstillbaren Durst? Jeder Mensch strebt nach Glück. Aber wir meinen, dass Glück von irgendwo im Außen kommt. Eine erfolgreiche Karriere, ein tolles neues Auto, eine erfüllende Partnerschaft. Wir reisen in ferne Länder und belohnen uns immer wieder mit kleinen Dingen die wir überall für Geld kaufen können. Diese Art von Glück ist hoch ineffizient. Ich nenne sie das „Feuerwerk-Glück“. Denn es entfaltet sich in einer spektatkulären Explosion, aber ist auch rasch wieder verschwunden. Schlimmer noch: je öfter wir es tun, desto kürzer halten diese Höhepunkte an. Wie ein Drogensüchtiger brauchen wir rasch wieder neues Futter.

Die meisten von uns leben in einem permanenten, unterschwelligen Gefühl des Mangels. Ein altes Bewusstsein, dass unseren Urinstinkten nach Überleben entspringt. Dieser Überlebensmodus ist angstgesteuert und egozentrisch. Er bringt weitere destruktive Gefühle wie Gier, Neid und Missgunst hervor und sorgt so für das unnötige Anhäufen materieller Dinge die wir eigentlich nicht brauchen. „Es ist nicht genug!“ wie ein ständiger Antreiber sitzt der Dämon auf unseren Schultern und drängt uns schneller und besser zu werden. Er lässt uns im Alltag rotieren und funktionieren, weil wir noch nicht schön genug, nicht männlich genug, nicht erfolgreich genug, nicht schlank genug sind. Dieses überholte Gedankenmuster führt zu einer fortwährenden Ausbeutung von Ressourcen, auch unserer Eigenen.

Aktive innere Arbeit, ein Bewusstseinswandel, gibt uns die Gelegenheit diese alten, teils vererbten Denkmuster zu erkennen, zu durchbrechen und aufzulösen und wahre innere Freiheit zu erfahren.

Photo by Catalin Pop on Unsplash

4. Füllebewusstsein – „Ich habe genug“

Wie würde es sich anfühlen, wenn wir genug hätten? Ich lade Dich ein jetzt einen tiefen Atemzug zu nehmen und voll und ganz in den gegenwärtigen Moment einzutauchen. Du wirst sofort spüren: genau hier, genau jetzt, habe ich genug. Wir leben in einer Gesellschaft der Fülle, „Es ist nicht genug“ ist einen Fiktion unseres Verstandes.

Wahres Glück ist ganz einfach zu finden, wenn wir nur die kleinen Dinge des Lebens zu sehen und wertzuschätzen lernen. Wie die kleinen Vögel, die in den Bäumen zwitschern, während Du auf Deine Verabredung wartest. Die pure, geistige Auseinandersetzung mit dem Gedanken „Ich habe genug“ hat eine wunderbar entschleunigende Wirkung. Ich muss gerade nichts leisten, nichts erreichen, denn alles ist gut, so wie es gerade ist.

Füllebewusstsein bedeutet „Ich habe genug“ zu unserer bewussten Entscheidung zu machen und damit unsere Wahrnehmung auf uns und die Welt aktiv zu verändern. Und wer in echter Fülle lebt, der wird freigiebig, der teilt und verschenkt gerne. Verschenke dich! Denn

„Dir kann nur gegeben werden was du selber gegeben hast.“

Marianne Williamson

5. SoulFood – Nahrung für die Seele

Es ist unser innerer Kompass, unser Herz das uns zeigt was unsere Seele nährt und was ihr nicht gut tut. Schlechte Einflüsse wie Krieg und Konflikt in den Nachrichten, belanglose Serien, Klatsch und Tratsch in Hochglanzmagazinen, Hass und Hetze in sozialen Medien, etc. Wir meinen wir konsumieren diese Dinge passiv, doch sie wirken stark destruktiv auf unser inneres Wohlbefinden. Wir spüren ihre Wirkung in Ruhe- und Rastlosigkeit, Gereiztheit oder Überreizung.

Photo by Laura Ockel on Unsplash

Was ist gute Nahrung für unsere Seele? Auch hier sind es wieder die einfachen Dinge: ein Spaziergang in der Natur, ein liebes Wort, eine helfende Hand. Wir können unseren Geist aktiv durch bewusste Gedanken oder kleine Rituale nähren und so mehr inneren Frieden, Harmonie und Gelassenheit in unser Leben holen. Eine ganz praktische und äußerst wirkungsvolle Möglichkeit ist das Schreiben eines Dankbarkeitstagebuchs. Hier können all die (mehr oder weniger selbstverständlichen) Dinge aufgeführt werden, die uns über den Tage berührt uns Freude geschenkt haben. Dieses Ritual wirkt dreifach:

  1. Unser Fokus auf die kleinen und großen Ereignisse im Alltag wird geschärft. Jedes Ereignis erweckt die Vorfreude es am Abend mit in die Liste der schönen Dinge eintragen zu können.
  2. Am Abend wenn alles niedergeschrieben ist, erfüllt es uns mit einem Gefühl der Dankbarkeit und Freude und wir beenden mit dieser Emotion den Tag.
  3. Wenn es Dir mal nicht so gut geht, kannst Du Dein Tagebuch zur Hand nehmen und Dich an den vielen kleinen und großen Geschenken des Lebens erfreuen.

Veranstaltung zum Thema „Innerer Hunger“

Am 1. April 2021 konnten wir zum Themenschwerpunkt „Innerer Hunger“ bereits eine große, digitale Veranstaltung durchführen. An diesem Abend war Markus Wolter unser Gast. Der studierte Landwirt ist Referent für Landwirtschaft und Ernährung bei MISEREOR und beschäftigt sich intensiv mit den globalen Folgen unserer Ernährungskultur, alternativer Landwirtschaft und eine damit verbundene innere Haltung zum Leben und Lebensmittel, vom Erzeuger bis zum Konsumenten.

Im 20 minütigen Interview berichtete er von Kleinbauern auf den Philippinen die Saatgut als heilig betrachten. Damit verbunden hegen Sie keinen Besitzanspruch auf ihr Saatgut, sondern teilen es freigiebig untereinander. Markus Wolter konnte von einer beeindruckenden, demütigen und dankbaren Haltung dieser Bauer gegenüber der Natur, ihrer Arbeit und den produzierten Lebensmitteln berichten und stellte einen Bezug zu den Herausforderungen in Deutschland her, mit denen wir die aufgrund der starken Profitorientierung konfrontiert sind.

Das vollständige Interview stellen wir Ihnen zeitnah auf dieser Seite als Audio-Datei zur Verfügung.

Quelle: Markus Wolter

Die Inhalte zu den SDG aus der inneren Perspektive entstehen in interdisziplinären Arbeitsgruppen aus Studierenden, Wissenschaftler:innen, spirituellen Menschen verschiedener Traditionen und engagierten Bürger:innen die sich für gesellschaftliche Werte und Ethik interessieren. Die Erarbeitung dieser Inhalte ist ein fortwährender Prozess. Wenn Du Dich gerne einbringen, Deine Impulse und Gedanken mit uns teilen möchtest, dann melde Dich gerne per E-Mail: Ansprechpartnerin Madeleine Genzsch mg@sdg18.de.